Juli 2024
Inhalt
Entgeltersatzleistungen bei einer Corona-Infektion und gleichzeitig angeordneter Quarantäne
Arbeitsrechtliche Konsequenzen einer Legalisierung des Cannabiskonsums
Arbeitsrechtliche Weisungen durch Künstliche Intelligenz
Lücken im Diskriminierungsschutz (Teil 1)
Verjährung von Ansprüchen des PSV aus § 9 Abs. 2 BetrAVG
Die Übertragung des Gemeinschaftsbetriebs in der Insolvenz
Die ablösende Betriebsvereinbarung – oder: Wie kollektiv ist das kollektive Arbeitsrecht?
Rechtsprechungsübersicht zum Kollektivarbeitsrecht
Mit qualifizierter Mehrheit die Transformation gestalten
Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Arbeitsrechts im Unionsrecht
Algorithmisches Management unter der Plattformarbeitsrichtlinie
Vermutung eines Arbeitsvertrags nach der Plattformarbeits-Richtlinie
Massenentlassungen – alles zurück auf Anfang?
Die außerordentliche Kündigung im Spiegel der Rechtsprechung
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Arbeitsmarktzulassung künftig elektronischMeldung der Bundesregierung
Ab Juli 2024 können Arbeitgeber die Arbeitsmarktzulassung an Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten per Mail versenden. Ein neuer digitaler Service der Bundesagentur für Arbeit entlastet so Behörden, Arbeitgeber und ausländische Arbeitskräfte.
Weitere Informationen sind auf der Seite der Bundesregierung abrufbar.
(gk)Vertragsverletzungsverfahren: Kommission verklagt Deutschland wegen Regeln zu Familienleistungen für mobile EU-Arbeitnehmer in BayernPressemitteilung der EU-Kommission vom 25.7.2024
Die Europäische Kommission hat beschlossen, Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil es die Rechte mobiler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten bei der Höhe von Familienleistungen nicht gewahrt hat. Diese Verletzung der Rechte mobiler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist eine Diskriminierung und ein Verstoß gegen das EU-Recht zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer.
Weiterführende Hintergründe und Informationen sind auf der Seite der Pressemitteilungen der EU-Kommission abrufbar.
(gk)Beratungsgegenstände des Bundestags
177. Sitzung, 26.6.2024:
- Beratung des Antrags Abgeordneter und der Fraktion der AfD „Unsere Bauern retten - Ausnahmeregelung beim gesetzlichen Mindestlohn für ausländische Erntehelfer bei heimischen Obst-, Gemüse-, Wein-, und Hopfenanbau einführen“ (BT-Drs. 20/11940) sowie Überweisung an Ausschüsse
178. Sitzung, 27.6.2024: Keine relevanten Beratungsgegenstände.
179. Sitzung, 28.6.2024:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BT-Drs. 20/9469, 20/9875, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) (BT-Drs. 20/11997)). Unveränderte Annahme des Gesetzesentwurfs auf Drs. 20/9469
- Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag Abgeordneter und der Gruppe Die Linke „Demokratie stärken – Betriebsräte vor mitbestimmungsfeindlichen Arbeitgeber stärken“ (BT-Drs. 20/11151, 20/11842). Sodann Annahme der Beschlussempfehlung auf Drs. 20/11842. Das bedeutet: Ablehnung des Antrags auf Drs. 20/11151
- Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag Abgeordneter und der Fraktion der AfD „Hinzuverdienstgrenzen bei den Witwenrenten neu regeln – Fachkräfte freisetzen“ (BT-Drs. 20/6582, 20/11998). Sodann Annahme der Beschlussempfehlung auf Drs. 20/11998. Das bedeutet: Ablehnung des Antrags auf Drs. 20/6582
180. Sitzung, 3.7.2024:
- Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU „Für mehr Anerkennung und Wertschätzung – Pflegende Angehörige weiter unterstützen“ (BT-Drs. 20/11761) sowie Überweisung an Ausschüsse
181. Sitzung, 4.7.2024: Keine relevanten Beratungsgegenstände.
182. Sitzung, 5.7.2024 Keine relevanten Beratungsgegenstände.
(gk)
Beratungsgegenstände des Bundesrats
1046. Sitzung, 5.7.2024:
- Kein Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses; Entschließung hinsichtlich "Neunundzwanzigstes Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (29. BAföGÄndG) (Br-Drs. 293/24)
- Kein Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses hinsichtlich "Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes" (BR-Drs. 317/25)
- Annahme/Entschließung des Bundesrates zur Einführung eines gestaffelten Mutterschutzes bei Fehlgeburten (BR-Drs. 289/24)
- Ausschusszuweisung hinsichtlich des Antrags bzgl. einer Entschließung des Bundesrates: Aussetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bis zur Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie (BR-Drs. 323/24)
(gk)
Veröffentlichungen im Bundesgesetzblatt
- Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) (BGBl. 2024 I Nr. 246 vom 23.07.2024)
- Neunundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (29. BAföGÄndG) (BGBl. 2024 I Nr. 249 vom 24.07.2024)
- Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BGBl. 2024 I Nr. 248 vom 24.07.2024)
(gk)
Veröffentlichungen im Amtsblatt der EU (Teil L)
Keine relevanten Veröffentlichungen im Berichtszeitraum.
(gk)
AllgemeinKein Berufen auf Grundrechte im beamtenrechtlichen DienstverhältnisBVerwG, Beschluss v. 2.5.2024 - 2 B 24.23, Leitsatz
Beamte können sich hinsichtlich ihrer dienstlichen Tätigkeit nicht auf die Grundrechte berufen. Sie dürfen ihre private Auffassung nicht als dienstliche Stellungnahme kennzeichnen.
(ma)Keine Suchpflicht des Dienstherrn bei Verweigerung einer ärztlichen UntersuchungBVerwG, Urt. v. 27.6.2024 - 2 C 17.23, Pressemitteilung v. 27.6.2024
Wird aus der Verweigerung einer - rechtmäßig angeordneten - ärztlichen Begutachtung auf die Dienstunfähigkeit eines Beamten geschlossen, entfällt die Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendung.
(ma)Ausschluss einer Gleichstellungsbeauftragten vom Beteiligungsverfahren nach dem Bundesgleichstellungsgesetz bei SelbstbetroffenheitBVerwG, Urt. v. 18.7.2024 - 5 C 14.22, Pressemitteilung v. 18.7.2024
Eine Gleichstellungstellungsbeauftragte ist von der Ausübung ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte bei Personalangelegenheiten in ihrer Dienststelle ausgeschlossen, wenn sie von diesen selbst betroffen ist. Das Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) enthält zwar keine ausdrückliche Regelung über den Ausschluss einer Gleichstellungsbeauftragten von der Ausübung ihrer Rechte in Angelegenheiten, in denen ihre persönlichen Interessen berührt sind. Auch sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 20, 21 VwVfG über den Mitwirkungsausschluss und die Besorgnis der Befangenheit auf die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Es entspricht aber einem allgemeinen für die staatliche Verwaltung geltenden Rechtsgrundsatz, dass Amtswalter oder sonst in die Wahrnehmung des staatlichen Amtsauftrags einbezogene Personen schlechthin nicht in Angelegenheiten mitwirken sollen, deren Gegenstand sie selbst unmittelbar betrifft. Dieser Rechtsgrundsatz ist verfassungsrechtlich verankert und kann durch einfaches Gesetzesrecht konkretisiert werden, gilt aber auch ohne ausdrückliche einfachrechtliche Normierung. Er wahrt das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Interesse der Allgemeinheit an einem sachgerechten Gesetzesvollzug durch die Verwaltung und schützt auch betroffene Dritte vor der Gefahr willkürlicher staatlicher Entscheidungen.
(ma)BetriebsverfassungsrechtUnwirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen bei Umgehung des gesetzlichen MinderheitsschutzesLAG Köln, Beschluss v. 28.6.2024 - 9 TaBV 52/23, Pressemitteilung v. 28.6.2024
Das LAG Köln hat am 28.6.2024 Beschlüsse eines Betriebsrats, mit denen er Mitglieder einer Minderheitsliste aus dem Betriebsausschuss und aus der Freistellung von ihrer beruflichen Tätigkeit abberufen und durch Mitglieder der Mehrheitsliste ersetzt hatte, für unwirksam erklärt. Es hat damit die vorausgegangene Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn bestätigt. Die einzelnen Abberufungs- und Wahlvorgänge verstießen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts zwar für sich betrachtet nicht gegen gesetzliche Vorschriften. Die Vorgänge stellten jedoch einen einheitlichen Sachverhalt dar, der bei der gebotenen Gesamtbetrachtung eine Umgehung des gesetzlichen Minderheitsschutzes bewirke und damit zur Nichtigkeit der einzelnen Teilakte führe. Dass die Abberufungsbeschlüsse mit der erforderlichen qualifizierten Mehrheit getroffen worden seien, ändere daran nichts. Trotz dieses Quorums werde der vom Gesetzgeber beabsichtigte Minderheitsschutz nicht ausreichend gewährleistet, wenn zuvor die Minderheitsliste durch Mehrheitsbeschlüsse erschöpft worden sei.
(ma)Kein Minderheitenschutz bei Betriebsratswahl allein für diverses Geschlecht zu Lasten anderer MinderheitengeschlechterArbG Berlin, Beschluss v. 7.5.2024 - 36 BV 10794/23, Pressemitteilung v. 28.6.2024
Das ArbG Berlin hat die Betriebsratswahl bei einem Anbieter von Software für E-Commerce-Unternehmen für unwirksam erklärt, weil die Zusammensetzung des Betriebsrats gegen gesetzliche Vorgaben zum Minderheitenschutz verstieß. Verstoßen wurde durch die Nichtbeachtung des weiblichen Geschlechts gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts und des Wahlverfahrens. Die Vorschriften aus dem Betriebsverfassungsgesetz und der dazugehörigen Wahlordnung über den Minderheitenschutz könnten nicht so ausgelegt werden, dass gegebenenfalls nur das dritte Geschlecht hiervon profitiere, das im Verhältnis von Frauen und Männern in der Minderheit befindliche Geschlecht hingegen gar nicht mit Mindestsitzen berücksichtigt werde. Vielmehr müssten alle in der Minderheit befindlichen Geschlechte berücksichtigt werden. Dafür sprächen die Entstehungsgeschichte des § 15 Abs. 2 BetrVG sowie die Gesetzessystematik.
(ma)Mittels App eingesetzte Auslieferungsfahrer in einem abgrenzbaren Liefergebiet können einen eigenständigen Betriebsrat wählenArbG Aachen, Beschluss v. 23.4.2024 - 2 BV 56/23, Pressemitteilung v. 28.6.2024
Das ArbG Aachen hat entschieden, dass die innerhalb eines abgrenzbaren Liefergebietes tätigen Arbeitnehmer eines Onlinemarktplatzes einen eigenen Betriebsrat wählen können. Auch in einem qualifizierten Betriebsteil im Sinne des § 4 BetrVG könne ein eigenständiger Betriebsrat gewählt werden. Diese Voraussetzungen erfülle das Liefergebiet Aachen. Gegenüber dem Hauptbetrieb sei es räumlich und organisatorisch abgrenzbar. Die Auslieferungsfahrer seien dem Liefergebiet fest zugeordnet; einen Austausch von Arbeitnehmern, etwa mit dem Liefergebiet Köln, gebe es nicht. Auch sei die den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Einheit hinreichend institutionalisiert. Da die Arbeitgeberin den Arbeitseinsatz der Arbeitnehmer digital durch eine App steuere, sei es ausreichend, wenn alle Arbeitnehmer der abgrenzbaren Einheit den Weisungsrechten einer Leitungsmacht unterstehen würden, die für die Einheit zuständig sei. Es komme nicht darauf an, dass eine Person räumlich vor Ort in dem Betriebsteil anwesend sei, die Weisungsrechte per App auf den Weg bringe.
(ma)EuroparechtEiner schwangeren Arbeitnehmerin muss eine angemessene Frist für die gerichtliche Anfechtung ihrer Kündigung eingeräumt werdenEuGH, Urt. v. 27.6.2024 - Rs. C-284/23, Pressemitteilung v. 27.6.2024
Eine Angestellte eines Pflegeheims ficht ihre Kündigung vor einem deutschen Arbeitsgericht an. Sie beruft sich auf das Verbot, einer Schwangeren zu kündigen. Das Arbeitsgericht ist der Auffassung, dass es die Klage normalerweise als verspätet abweisen müsse. Als die Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt und die Klage erhoben habe, sei nämlich die im deutschen Recht vorgesehene ordentliche Frist - drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung - bereits verstrichen gewesen. Überdies habe die Arbeitnehmerin es versäumt, innerhalb der im deutschen Recht vorgesehenen weiteren Frist von zwei Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage zu stellen. Das Arbeitsgericht fragt sich jedoch, ob die in Rede stehende deutsche Regelung mit der Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen vereinbar ist. Es hat daher den Gerichtshof dazu befragt.
Nach Auffassung des Gerichtshofes scheint eine so kurze Frist, insbesondere verglichen mit der ordentlichen Frist von drei Wochen, mit der Richtlinie unvereinbar zu sein. In Anbetracht dieser Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, scheint diese kurze Frist nämlich dazu angetan, es der schwangeren Arbeitnehmerin sehr zu erschweren, sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen. Es sei jedoch Sache des Arbeitsgerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist.
(ma)Ehrenamtliche Richter und Staatsanwälte dürfen nicht von Ansprüchen ausgeschlossen werden, die Berufsrichtern und Berufsstaatsanwälten zustehenEuGH, Urt. v. 27.6.2024 - Rs. C-41/23
Eine nationale Regelung, die ehrenamtliche Richter und Staatsanwälte von einem den Berufsrichtern und Berufsstaatsanwälten zustehenden Anspruch auf Entschädigung während der Gerichtsferien und bei Ruhen der gerichtlichen Tätigkeit sowie einem Anspruch auf Leistungen eines Systems des gesetzlichen Sozialversicherungsschutzes und Versicherungsschutzes gegen Unfälle und Berufskrankheiten ohne sachlichen Grund ausschließt, verstößt nach dem EuGH gegen das Unionsrecht. Nach Art. 7 der RL 2003/88 dürfen befristet beschäftigte Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsbedingungen gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht ohne sachlichen Grund schlechter behandelt werden. Der Begriff des befristet beschäftigten AN i.S.d. § 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung umfasse dabei auch einen für einen begrenzten Zeitraum ernannten Friedensrichter, der im Rahmen seiner Aufgaben tatsächliche und echte Leistungen erbringt, die weder völlig untergeordnet noch unwesentlich sind und für die er Entschädigungen mit Vergütungscharakter erhält. Bei den ehrenamtlichen Richtern und Staatsanwälten handelt es sich nach nationalem Recht um solche Friedensrichter, sodass die RL insoweit anwendbar ist. Hinsichtlich der Feststellung einer vergleichbaren Tätigkeit sei nach § 3 Nr. 2 und § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung die Zugrundelegung der Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen maßgeblich. Sowohl die ehrenamtlichen Richter und Staatsanwälte als auch die Berufsrichter und Berufsstaatsanwälte üben eine justizielle Tätigkeit aus, bei der sie denselben Pflichten und denselben Kontrollen unterliegen und auch die gleiche Verantwortung tragen. Durch das Ausschließen dieser ehrenamtlichen AN von den genannten Ansprüchen liegt daher eine Ungleichbehandlung vor. Mangels Vorliegens eines sachlichen Grundes im vorliegenden Fall ist diese Ungleichbehandlung auch nicht gerechtfertigt.
(ma)Beendigung der Arbeitsverhältnisse durch Eintritt des Arbeitgebers in den Ruhestand stellt eine Massenentlassung darEuGH, Urt. v. 11.7.2024 - Rs. C-196/23
Die mit dem Eintritt des Arbeitsgebers in den Ruhestand einhergehende Beendigung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer stellt eine Massenentlassung i.S.d. der RL 98/59 dar. Kündigungen, die ohne Information und Konsultation der Arbeitnehmervertretung ausgesprochen werden, sind damit rechtwidrig.
Der Begriff der Massenentlassung umfasst nach Art. 1 Abs. 1 a) RL 98/59 solche Entlassungen, die ein Arbeitgeber aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, vornimmt, sofern bestimmte quantitative und zeitliche Voraussetzungen erfüllt sind. Unter Entlassung ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eine von den Arbeitnehmern nicht gewollte, also ohne deren Zustimmung erfolgte Beendigung des Arbeitsvertrages zu verstehen. Der EuGH macht in seiner Entscheidung deutlich, dass der Begriff der Massenentlassung wegen des Ziels der Richtlinie, die nach dem zweiten Erwägungsgrund in der Stärkung des Schutzes der Arbeitnehmer vor Massenentlassungen liege, eng ausgelegt werden müsse. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens sei zudem auch bei Entlassungen durch Eintritt des Arbeitgebers in den Ruhestand weiterhin sachdienlich. Zwar seien die Entlassungen durch die Konsultation der Arbeitnehmervertretung nicht zu vermeiden. Die Konsultation diene aber nicht nur der Verhinderung von Massenentlassungen als solcher, sondern auch der Milderung der Folgen, die sich aus der Massenentlassung ergeben, etwa durch Einführung sozialer Begleitmaßnahmen zwecks anderweiter Verwendung oder Umschulung der Arbeitnehmer.
(ma)Vorabentscheidungsersuchen: Fragen zur Auslegung der DSGVOLAG Niedersachsen, 18.7.2024 - 8 Sa 688/23, Pressemitteilung v. 18.7.2024
In einem vor dem LAG Niedersachsen anhängigen Fall verlangt die klagende Arbeitgeberin von einer ausgeschiedenen Arbeitnehmerin Schadenersatz in Höhe von rund 46.000 Euro. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe unbefugt Gegenstände aus dem privaten Firmeneigentum an Dritte veräußert und sich am Erlös bereichert. Die Klägerin stützt ihre Erkenntnisse über die Veräußerungsvorgänge auf eine ohne Wissen und Willen der Beklagten erfolgte Einsichtnahme in deren privates ebay-Konto. Auf welche Weise die Klägerin die Kenntnis der ebay-Benutzerkennung der Beklagten und des zugehörigen Passwortes erlangt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Das LAG Niedersachsen hat in dieser Rechtssache beim EuGH ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig gemacht. Mit der ersten Vorlagefrage soll Klarheit darüber geschaffen werden, ob die Regelungen des deutschen Zivilprozessrechts bestimmt genug sind - d.h., die erforderliche Regelungstiefe aufweisen -, um den Anforderungen der DSGVO zu genügen. Des Weiteren wird der Gerichtshof - kurz zusammengefasst - gefragt, welche der Normen der DSGVO auf gerichtliche Datenverarbeitungstätigkeit Anwendung finden und welche Rechtsgrundsätze hierbei von den Gerichten zu beachten sind.
(ma)Kündigung/KündigungsschutzBegriff des Luftverkehrsbetriebs i.S.d. § 24 Abs. 2 KSchGBAG, Urt. v. 29.5.2024 - 2 AZR 325/22, Leitsatz
Ein Luftverkehrsbetrieb i.S.v. § 24 Abs. 2 KSchG bedarf keiner im Inland ansässigen Leitung oder weitergehenden Organisationsstruktur.
(ma)Juristische Direktorin des RBB unterliegt mit KündigungsschutzklageLAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 2.7.2024 - 7 Sa 1125/23, Pressemitteilung v. 2.7.2024
Das LAG Berlin-Brandenburg hat in dem Rechtsstreit zwischen der Juristischen Direktorin und dem RBB Rundfunk Berlin-Brandenburg im Berufungsverfahren die Entscheidung des ArbG Berlin teilweise abgeändert. In dem Dienstvertrag zwischen der Juristischen Direktorin und dem RBB war unter anderem die Zahlung eines monatlichen Übergangsgeldes geregelt. Das Übergangsgeld sollte für den Fall der Nichtverlängerung der auf fünf Jahre befristeten Zusammenarbeit in Höhe der hälftigen vorherigen Vergütung ohne Gegenleistung bis zum Renteneintritt gezahlt werden. Im Falle einer wirksamen fristlosen Kündigung oder einer Ablehnung der Verlängerung seitens der Juristischen Direktorin entfiele das Übergangsgeld. Der RBB hat der Juristischen Direktorin im Dezember 2022 mitgeteilt, er erachte den Dienstvertrag für nichtig und die Zusammenarbeit für beendet, weil es sich bei dem vereinbarten Übergangsgeld um eine sittenwidrig überhöhte Regelung handele. Es bestehe deshalb weder ein Anspruch auf Übergangsgeld noch auf betriebliche Altersversorgung nach Renteneintritt. Zeitgleich hat der RBB den Dienstvertrag wegen diverser Vorwürfe gegenüber der Juristischen Direktorin fristlos gekündigt. Das LAG Berlin-Brandenburg hat - anders als noch das ArbG Berlin - keine Sittenwidrigkeit des Dienstvertrags festgestellt. Das darin vereinbarte Übergangsgeld für die Zeit zwischen einer Beendigung des Dienstverhältnisses und dem Renteneintritt sei nicht grundsätzlich zu beanstanden. Denn der RBB habe es nach der Vertragsgestaltung in der Hand, eine Verlängerung des befristeten Vertrages herbeizuführen und so die Zahlung von Überstunden zu vermeiden. Jedoch erweise sich die fristlose Kündigung durch den RBB als wirksam. Die Juristische Direktorin habe mehrfach sich aus ihrer Funktion ergebende Pflichten verletzt. Dazu zählten etwa Warn- und Hinweispflichten gegenüber der vormaligen Intendantin Schlesinger im Hinblick auf rechtliche Risiken bei Vertragsgestaltungen. Die Pflichtverletzungen wögen in der Gesamtschau so schwer, dass eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei. Das LAG hat weiterhin entschieden, dass der Anspruch der Klägerin auf betriebliche Altersversorgung nach Renteneintritt trotz wirksamer fristloser Kündigung bestehen bleibe. Nur ganz ausnahmsweise könne vom Grundsatz abgewichen werden, wonach während des laufenden Arbeitsverhältnisses erdiente Versorgungsanwartschaften auch im Falle einer vorzeitigen Beendigung erhalten blieben. Ein solcher Extremfall liege nicht vor. Ansprüche auf Übergangsgeld stünden der Klägerin dagegen wegen der wirksamen fristlosen Kündigung nicht zu.
(ma)Krankenschwester der Stiftung Kreuznacher Diakonie hat keinen Anspruch auf Abfindung nach dem SozialplanLAG Saarland, Urt. v. 26.6.2024 - 1 Sa 43/23, Pressemitteilung v. 27.6.2024
Das LAG Saarland hat die Berufung einer Krankenschwester gegen das erstinstanzliche Urteil in einem Klageverfahren gegen die Stiftung Kreuznacher Diakonie zurückgewiesen. Diese war seit 1986 als Krankenschwester im evangelischen Krankenhaus in Saarbrücken tätig, das zum 31.3.2023 geschlossen wurde. Die Klägerin wandte sich gegen ihre Versetzung in ein anderes Krankenhaus der Beklagten in Neunkirchen und gegen die von der Beklagten vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der Versetzung ausgesprochene Änderungskündigung mit dem Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Neunkirchen. Gleichzeitig begehrte die Klägerin die Zahlung einer Abfindung nach dem Sozialplan, der eine solche für gekündigte Mitarbeiter vorsieht, diejenigen aber ausgenommen hat, die aufgefordert wurden, in einer anderen Einrichtung ohne Änderung ihrer Eingruppierung tätig zu werden. In der Berufungsinstanz begehrte die Klägerin insbesondere die Zahlung der Sozialplanabfindung, auch in Form einer Entschädigung nach AGG, weil der Sozialplan sie wegen des Alters diskriminiere. Auch die Rationalisierungssicherungsordnung (RSO), die für Träger kirchlicher Einrichtungen gilt, begründe einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung.
Nach dem LAG sei die Ungleichbehandlung von denjenigen Mitarbeitern, denen ein zumutbares Arbeitsplatzangebot gemacht worden sei und denjenigen, denen ein weiter entfernter und damit nach der Definition des Sozialplans nicht mehr zumutbarer Arbeitsplatz angeboten worden sei, sachlich gerechtfertigt, auch wenn denjenigen mit dem zumutbaren Arbeitsplatzangebot kein Wahlrecht zwischen der Zahlung der Abfindung und der Annahme des Arbeitsplatzangebots eingeräumt worden sei. Diese Bestimmung im Sozialplan verstoße nicht gegen § 7 Abs. 1 AGG, da die Ungleichbehandlung, wenn auch möglicherweise aufgrund des angewandten Punkteschemas mittelbar altersbezogen, objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel, nämlich den Erhalt des Arbeitsplatzes, im Sinne von § 10 S. 1 AGG gerechtfertigt sei. Ansprüche aus der RSO bestünden nicht, da die Versetzung wirksam erfolgt sei. Die Klägerin könne ihr Begehr auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.
(ma)Allein die Teilnahme an „Potsdamer Treffen“ rechtfertigt keine außerordentliche KündigungArbG Köln, Urt. v. 3.7.2024 - 17 Ca 543/24, Pressemitteilung v. 3.7.2024
Das ArbG Köln hat entschieden, dass die im Zusammenhang mit der Teilnahme einer Mitarbeiterin an dem sogenannten „Potsdamer Treffen“ von der Stadt Köln ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind. Ein wichtiger Grund sei nicht gegeben. Die Klägerin träfe aufgrund ihrer konkreten Tätigkeit nur eine sogenannte einfache und keine gesteigerte politische Treuepflicht. Das Maß an Loyalität und Treue zum öffentlichen Arbeitgeber sei von Stellung und Aufgabenkreis des betroffenen Arbeitnehmers abhängig. Danach schuldet ein Arbeitnehmer lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unabdingbar sei. Diese einfache Treuepflicht werde erst durch ein Verhalten verletzt, das in seinen konkreten Auswirkungen darauf gerichtet sei, verfassungsfeindliche Ziele aktiv zu fördern oder zu verwirklichen. Allein die Teilnahme an dem Treffen rechtfertige nicht den Schluss, dass sich die Klägerin in innerer Übereinstimmung mit dem Inhalt der Beiträge befunden habe. Ein Eintreten für verfassungsfeindliche Ziele, z.B. durch Wortbeiträge im Rahmen des Treffens, habe die Beklagte nicht behauptet.
(ma)Verschimmeltes Obst in der Frischetheke nicht immer ein KündigungsgrundArbG Siegburg, Urt. v. 26.6.2024 - 3 Ca 386/24, Pressemitteilung v. 8.7.2024
Befindet sich in der Frischetheke eines Discounters bei Kontrollen verdorbenes Obst und Gemüse, rechtfertigt dies nicht immer die Kündigung des stellvertretenden Filialleiters. Der stellvertretende Filialleiter dürfe die Kontrolle der Ware in der Obst- und Gemüsetheke auf andere, ihm unterstellte Mitarbeitern delegieren. Ein stellvertretender Filialleiter könne nicht alle Aufgaben selbst wahrnehmen. Dies habe zur Folge, dass der Kläger nur Stichprobenkontrollen habe durchführen müssen.
(ma)MindestlohnErfolglose Verfassungsbeschwerden gegen zwei arbeitsgerichtliche Verurteilungen zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für die Mitarbeit in einem Yoga- und MeditationszentrumBVerfG, Beschlüsse v. 2.7.2024, 1 BvR 2244/23 und 1 BvR 2231/23, Pressemitteilung v. 18.7.2024
Das BVerfG hat zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen zwei Urteile des BAG richten. Dieses hatte den beschwerdeführenden Verein zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns an zwei ehemalige Vereinsmitglieder für deren Mitarbeit als Sevaka-Mitglied im Yoga- und Meditationszentrum (Ashram) des Vereins verpflichtet.
Die Verfassungsbeschwerden bleiben ohne Erfolg. Es könne offenbleiben, ob die Annahme des BAG, bei dem Beschwerdeführer handele es sich nicht um eine Religionsgemeinschaft, mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG vereinbar ist. Denn es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die von den Klägerinnen geleisteten Dienste der Aufrechterhaltung des Beherbergungs- und Seminarbetriebs des Vereins und des Vertriebs von Yoga-Produkten, um deren arbeitsrechtliche Beurteilung es hier geht, für sich genommen religiös geprägt waren.
(ma)SozialrechtImpfkomplikationen durch im Betrieb durchgeführte Impfung kann Arbeitsunfall darstellenBSG, Urt. v. 27.6.2024 - B 2 U 3/22 R, Pressemitteilung v. 27.6.2024
Ein Krankenhauskoch kann unter Unfallversicherungsschutz stehen, wenn er an einer von der Krankenhausverwaltung angebotenen Impfung gegen Schweinegrippe teilnimmt. Auch eine planmäßig und freiwillig durchgeführte Impfung kann ein Unfallereignis sein, wenn sie zu einer Impfkomplikation und einem Gesundheitserstschaden führt. Hinzukommen muss ein innerer Zusammenhang der konkreten Impfung mit der versicherten Tätigkeit. Dieser ist nicht schon dann gegeben, wenn die Impfung vom Arbeitgeber empfohlen, finanziert und anschließend im Betrieb durchgeführt wird. Für allgemeine Grippeschutzimpfungen im Betrieb hat der Senat dies bereits entschieden. Ein innerer Zusammenhang kann aber angenommen werden, wenn die Teilnahme an der Impfung wesentlich betrieblichen Zwecken dient. In einem Krankenhaus mit einem gesteigerten Interesse an einem möglichst umfassenden Gesundheitsschutz für Patienten kann dies auch dann der Fall sein, wenn die Impfung aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission erforderlich war oder der Beschäftigte dies aufgrund besonderer Umstände berechtigterweise annehmen durfte.
(ma)
In diesem Beitrag behandelt der Autor die unterschiedlichen Entscheidungen deutscher Gerichte zur Frage, ob Arbeitnehmer bei einer Corona-Infektion und gleichzeitig angeordneter Quarantäne Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben. Dabei analysiert er, ob auch eine symptomlose Infektion als krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gilt. Der Autor diskutiert, wie diese Fälle rechtlich einzuordnen sind und welche Auswirkungen die unterschiedlichen Gerichtsurteile auf die Ansprüche der Arbeitnehmer haben.
(ib)
Erfolgsmodell Zeitwertkonten – Sozialversicherungsträger begrenzen zeitlichen Anwendungsbereich und bestätigen ZWK-ÜbergangsmodellRAin Dr. Rekka Schubert-Eib / RA Henning Rihn, Reutlingen / München, BB 2024, 1524-1529
In diesem Artikel befassen sich die Autoren mit der aktuellen Diskussion und den Entwicklungen rund um Zeitwertkonten und deren Einsatzmöglichkeiten. Sie erörtern, dass die Sozialversicherungsträger ihre restriktive Haltung zur zeitlichen Begrenzung des Anwendungsbereichs bestätigt haben, was zur Einschränkung ihrer Nutzung führen könnte. Als positiv stellen sie jedoch fest, dass das Zeitwertkonten-Übergangsmodell offiziell anerkannt ist, wodurch Arbeitgebern eine rechtssichere Möglichkeit geboten wird, sozialverträgliche Personalabbauprozesse durchzuführen. Abschließend betonen die Autoren die Bedeutung von Zeitwertkonten als Instrument zur Mitarbeitergewinnung und -bindung sowie deren flexible Einsatzmöglichkeiten.
(ib)Arbeitsrechtliche Konsequenzen einer Legalisierung des CannabiskonsumsRA/FA Prof. Dr. Björn Gaul / RAin Dr. Lena Pingen, Köln, DB 2024, 1749-1753
In diesem Artikel thematisieren die Autoren die arbeitsrechtliche Konsequenz der am 01.04.2024 in Kraft getretenen Teillegalisierung des Cannabiskonsums. Sie betonen, dass Arbeitgeber bestehende Regelungen bezüglich Arbeitsschutz, Nutzung von Betriebsmitteln und Verhalten anpassen müssen. Insbesondere gehen sie auf die Notwendigkeit ein, den Konsum von Cannabis am Arbeitsplatz zu regeln, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Abschließend schlagen sie mögliche Inhalte für Betriebsvereinbarungen vor und erläutern die Handlungsoptionen bei Verstößen gegen betriebliche Cannabisverbote.
(ib)
Das BetriebsrisikoLeonhard Schnurbusch / Matthias Sender, Köln, RdA 2024, 158-169
In diesem Artikel analysieren die Autoren, wie das Risiko von Betriebsstörungen im Arbeitsrecht verteilt werden sollte. Sie kritisieren bisherige Ansätze und schlagen vor, ökonomische Prinzipien zu nutzen, um klarere und gerechtere Entscheidungen zu treffen. Die Autoren machen abschließend den Vorschlag, die Haftungsfragen anhand von Effizienzüberlegungen und Risikostreuung zu klären, um eine gerechtere Verteilung und bessere Absicherung für alle Beteiligten zu gewährleisten.
(ib)Arbeitsrechtliche Weisungen durch Künstliche IntelligenzProf. Dr. Philipp B. Donath, Frankfurt am Main, AuR 2024, 275-280
In seinem Beitrag gibt der Verfasser zunächst einen Überblick über die vielfältigen Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten von KI. Den Schwerpunkt des Beitrags bildet anschließend die Frage, ob Weisungen durch KI an die Arbeitnehmer bzw. die Ausübung von billigen Ermessen durch KI möglich ist. In seinem Fazit hält er unter anderem fest, dass darauf zu achten sei, dass bei der Abwägung von Grundrechten, die Entscheidung weiterhin von einem Menschen getroffen werden müsse und dass Arbeitgeber Weisungen durch KI rechtssicher fast ausschließlich nur über Kollektivvereinbarungen iSd Art. 88 DSVO einführen können.
(lh)Lücken im Diskriminierungsschutz (Teil 1)Prof. Dr. Katja Nebe/Anna Schmieder, Halle, ZESAR 2024, 265-273
Um soziale Ausgrenzung und Diskriminierung zu bekämpfen, hat die EU die Europäische Säule sozialer Rechte proklamiert. Unterdessen untersuchen die Verfasserinnen den aktuellen Stand der Gleichstellung in der Arbeitswelt in Deutschland und zeigen dabei bestehende Lücken auf, die von verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt zu schließen sind.
(lh)Betriebliche AltersversorgungVerjährung von Ansprüchen des PSV aus § 9 Abs. 2 BetrAVGProf. Dr. Gregor Thüsing, LL.M./Simon Mantsch, Bonn, BB 2024, 1717-1723
Der Pensions-Sicherungsverein (PSV) sichert die Leistungen der Arbeitnehmer aus betrieblicher Altersversorgung in dem Fall einer Arbeitgeberinsolvenz. Wann allerdings verjähren die Ansprüche des Vereins gegen den Arbeitgeber? Dieser Frage nähern sich die Autoren auf der Grundlage des Urteils des LAG Baden-Württemberg (28.2.2024 – 4 Sa 36/23) und kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Verjährung für die nach § 9 Abs. 2 BetrAVG übergegangenen und nach § 45 InsO kapitalisierten Ansprüche nach § 195 BGB richte.
(lh)BetriebsübergangDie Übertragung des Gemeinschaftsbetriebs in der InsolvenzRA Dr. Hannah Krings/ RA Marco Hansen, Köln, NZA 2024, 871-877
Die Autoren befassen sich in ihrem Beitrag mit praktisch relevanten Fragen der Übertragung eines Gemeinschaftsbetriebes in der Insolvenz. Nachdem zunächst die Grundlagen bezüglich des Gemeinschaftsbetriebs in der Insolvenz erläutert werden, widmen sich die Verfasser dem Übergang des Gemeinschaftsbetriebs nach § 613a BGB und der Umsetzung eines (insolvenzbedingten) Erwerberkonzepts im Gemeinschaftsbetrieb.
(lh)BetriebsverfassungsrechtDie ablösende Betriebsvereinbarung – oder: Wie kollektiv ist das kollektive Arbeitsrecht?Prof. Dr. Hans Hanau, Hamburg, RdA 2024, 139-147
In diesem Beitrag behandelt der Autor die komplexe Beziehung zwischen individuellen Arbeitsverträgen und kollektivrechtlichen Betriebsvereinbarungen, wobei letztere nur unter bestimmten Umständen die erstere ablösen dürfen. Er betont, dass das Prinzip der Günstigkeit, wonach individuelle Vereinbarungen nicht durch kollektivrechtliche Regelungen verschlechtert werden dürfen, in der Praxis eingeschränkt ist. Abschließend erachtet er eine universelle Betriebsvereinbarungsoffenheit als unzulässig, da sie die vertragliche Bindung und den individuellen Schutz der Arbeitnehmer gefährdet.
(ib)Rechtsprechungsübersicht zum KollektivarbeitsrechtRA/FA Prof. Dr. Bernd Schiefer, Düsseldorf, DB 2024, 1613-1616
In diesem Beitrag gibt der Autor einen Überblick über die wichtigsten Entscheidungen im Kollektivarbeitsrecht von Dezember 2023 bis März 2024, wobei er besonders auf die Themen Betriebsratsschulungen, Handynutzung am Arbeitsplatz und Mitbestimmungsrechte bei technischen Entwicklungen wie KI und Social Media eingeht. Der Autor betont die Notwendigkeit, technische Innovationen und Digitalisierung im Betriebsalltag zu berücksichtigen, ohne die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Betriebsräten zu vernachlässigen.
(ib)Der Betriebsbegriff im Arbeitsrecht – Ein Begriff, ungleiches Verständnis – Zwischen Matrixorganisationen und MassenentlassungenRA / FA Achim Braner / Manon Stöhrer, LL.M., Frankfurt a.M., BB 2024, 1652-1657
Die Autoren analysieren in diesem Beitrag die Herausforderungen des Begriffs „Betrieb“ im deutschen Arbeitsrecht, insbesondere im Kontext von Matrixorganisationen und Massenentlassungen. Sie erörtern, wie traditionelle Definitionen auf moderne Unternehmensstrukturen angewendet werden können und ob diese noch angemessen sind. Abschließend betonen sie, dass die bestehenden rechtlichen Grundsätze angepasst werden müssen, um den aktuellen betrieblichen Gegebenheiten gerecht zu werden.
(ib)Errichtung eines Konzernbetriebsrats bei nur einem betriebsverfassungsrechtlich mitbestimmten Unternehmen im KonzernRA Dr. Erwin Salamon, Hamburg, NZA 2024, 878-883
Nach überwiegender Auffassung in der Literatur kann ein Konzernbetriebsrat unter bestimmten Bedingungen auch dann gebildet werden, wenn im Konzern nur ein Gesamtbetriebsrat oder ein diesem gleichgestellter Betriebsrat amtiert, sofern das 50%-Quorum nach § 54 Abs. 1 S. 2 BetrVG erfüllt ist. Diese Ansicht steht nach Auffassung des Autors jedoch im Konflikt zu den betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsebenen einer Mitbestimmung durch Betriebs-, Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsrat.
(lh)Mit qualifizierter Mehrheit die Transformation gestaltenDaniel Cavallo, Wolfsburg, AuR 2024, 270-274
In diesem Beitrag beschreibt der Autor das Verständnis und die Stärken der qualifizierten Mitbestimmung i.S.v. Volkswagen. Dabei thematisiert er den Reformbedarf im Betriebsverfassungsgesetz, der notwendig ist, um die Erfolgsaussichten einer Transformation zu gewährleisten. Maßgeblich sei dabei eine deutliche Stärkung der Mitbestimmung der Betriebsräte.
(lh)EuroparechtBeschäftigungsverhältnisse außerhalb des Arbeitsrechts im UnionsrechtProf. Dr. Rolf Wank, Bochum, RdA 2024, 129-139
In diesem Beitrag erörtert der Autor die Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnissen und Beschäftigungsformen im Unionsrecht, insbesondere im Kontext einer BAG-Entscheidung. Dabei kritisiert er, dass der EuGH oft unklare und methodisch fragwürdige Definitionen bezüglich Arbeitnehmer verwendet. Er fordert, die Besonderheiten der verschiedenen Rechtsgebiete zu berücksichtigen, anstatt generell das Arbeitsrecht anzuwenden, um den Schutz für Beschäftigte zu verbessern.
(ib)Algorithmisches Management unter der PlattformarbeitsrichtlinieRA Dr. Justus Frank, Maître en droit, LL.M./Dr. Maurice Heine, Düsseldorf, NZA 2024, 865-871
Die Plattformarbeitsrichtlinie (PlattformarbeitsRL, COM (2021) 0762 – C9-0454/2021 – 2021/0414 (COD) zielt darauf ab, Plattformarbeiter vor übermäßigem algorithmischen Management zu schützen, indem sie allgemeine Datenschutzrahmenbedingungen ergänzt und spezifische Beschränkungen vorschreibt. Der Beitrag beleuchtet diese Beschränkungen, insbesondere in Bezug auf automatisierte Überwachung und Entscheidungsfindung.
(lh)Vermutung eines Arbeitsvertrags nach der Plattformarbeits-RichtlinieRA Prof. Dr. Daniel Benkert, Frankfurt a. M., NJW-Spezial 2024, 434-435
Das Europäische Parlament hat die Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit verabschiedet, die von Deutschland innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden muss. In seinem Beitrag gibt der Autor einen kurzen Überblick über die Richtlinie, deren Zielsetzungen und dem zentralen Instrument der Richtlinie, den Vermutungstatbestand.
(lh)Kündigung/KündigungsschutzMassenentlassungen – alles zurück auf Anfang?RA/FA Prof. Dr. Mark Lembke, Frankfurt a.M./Heidelberg, NJW 2024, 1985-1992
In diesem Beitrag erörtert der Autor die aktuellen Entwicklungen und rechtlichen Fragestellungen zum deutschen Massenentlassungsrecht. Er beschreibt die Änderungen in der Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf die Konsultations- und Anzeigeverfahren, und wie diese durch verschiedene Urteile des EuGH beeinflusst wurden. Der Autor diskutiert die möglichen Konsequenzen und Anpassungen der rechtlichen Grundsätze, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden, und stellt die Frage, ob die bisherigen Regelungen noch zeitgemäß sind.
(ib)Die außerordentliche Kündigung im Spiegel der RechtsprechungRA Dr. Michael Schulte Westenberg, Dresden, NZA-RR 2024, 337-343
Der Autor analysiert in diesem Beitrag die wichtigsten Entscheidungen des BAG zur außerordentlichen Kündigung aus den Jahren 2022 bis 2024. Er legt dar, dass verhaltensbedingte Kündigungen, insbesondere bei Straftaten und schweren Pflichtverletzungen, einen wichtigen Grund nach § 626 BGB darstellen können. Des Weiteren geht er auf prozessuale Aspekte, wie die Beweislastverteilung und die Anforderungen an die Darlegungslast der Parteien im Kündigungsschutzprozess ein. Abschließend erörtert der Autor den Sonderkündigungsschutz und relevante Entscheidungen zu Datenschutz- und Kündigungsregelungen.
(ib)Tarifrecht/TarifvertragsrechtTarifbeschäftigte und VerfassungstreueRegierungsdirektor Dr. Michael Schwarz, LL.M., NZA 2024, 883-888
Der Beitrag stellt die Frage, ob Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst verpflichtet werden können, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen, obwohl der Grundsatz der Verfassungstreue auf sie keine Anwendung findet. Dies wird vom Autor vor dem Hintergrund der Anforderungen in den Tarifverträgen von Bund und Ländern diskutiert, die ein solches Bekenntnis fordern.
(lh)„Tarifvertragsstärkungsrichtlinie“ – Die EU-Mindestlohnrichtlinie als Weckruf für die Stärkung der Tarifbindung in DeutschlandClarissa Ahmed/Reentje Streuter, Berlin, AuR 2024, 281-286
Neben dem freien Wettbewerb, befasst sich die EU-Mindestlohn-Richtlinie auch mit sozialen Aspekten und einem funktionierenden Binnenmarkt unter „fairen Bedingungen“. Zur Verwirklichung dieser Ziele sehen es die Verfasser als wesentlich an, der rückläufigen Tarifbindung in Deutschland entgegenzuwirken.
(lh)
Rückforderung der Anwaltskosten vom Betriebsratsmitglied – ein Fall des „kastrierten“ Urteilsverfahrens?Prof. Dr. Hermann Reichold, Tübingen, RdA 2024, 170-171
Urteil vom 25.10.2023 – 7 AZR 338/22
(ib)Mittelbare richtlinienkonforme Auslegung von Tarifverträgen – tarifvertragliche Mehrarbeitszuschläge und europäisches UrlaubsrechtDr. Matthias Münder, Hamburg, RdA 2024, 172-178
BAG, Urteil vom 16.11.2022 – 10 AZR 210/19
(ib)Tarifvertragliche Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz in der ZeitarbeitProf. Dr. Clemens Höpfner / Leon Strässer, Köln, RdA 2024, 178-187
BAG, Urteil vom 31.5.2023 – 5 AZR 143/19
(ib)Vergütungsanpassung bei Aufstockung auf Vollzeit – notfalls im Wege ergänzender VertragsauslegungRAin Meike Brecklinghaus, Düsseldorf, DB 2024, 1617
BAG, Urteil vom 13.12.2023 – 5 AZR 168/23
(ib)Annahmeverzug und böswilliges Unterlassen anderweitigen VerdienstesRA Dr. Anton Barrein, Offenhausen / Hannover, NZA-RR 2024, 343-346
BAG, Urteil vom 7.2.2024 – 5 AZR 177/23
(ib)Schadensbesprechung bei Ausschluss von Profisportlern vom MannschaftstrainingProf. Dr. Philipp S. Fischinger, LL.M., Mannheim, NZA-RR 2024, 384
BAG, Urteil vom 29.2.2024 – 8 AZR 359/22
(ib)Verfall virtueller Optionsrechte nach Ende des ArbeitsverhältnissesStephan Sura, Köln, NZA-RR 2024, 385
LAG München, Urteil vom 7.2.2024 – 5 Sa 98/23
(ib)Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – Anforderungen an schlüssigen Vortrag für eine ErkrankungRA Dr. Anton Barrein, Offenhausen / Hannover, NZA-RR 2024, 386
LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.4.2024 – 6 Sa 416/23
(ib)Vorabentscheidung zur Massenentlassung aufgrund Unzulässigkeit vorheriger AnfragenRA / FA Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Hamburg, NZA-RR 2024, 387
BAG, Beschluss vom 23.5.2024 – 6 AZR 152/22 (A)
(ib)Unwirksame Probezeitkündigung wegen DiskriminierungRA / FA Dr. Brigitte Glatzel, Mainz, NZA-RR 2024, 388
LAG Baden-Würtemberg, Urteil vom 12.1.2024 – 9 Sa 16/23
(ib)Vorabentscheidungsersuchen zu datenschutzrechtlichen Anforderungen an BetriebsvereinbarungenRA / FA Prof. Dr. Michael Fuhlrott, NZA-RR 2024, 389
BAG, Beschluss vom 25.4.2024 – 8 AZR 209/21(B)
(ib)Durchsetzung der Übernahme von Rechtsanwaltskosten im Wege einer einstweiligen VerfügungRA Dr. Johann Ante, Dortmund, NZA-RR 2024, 390
ArbG Stuttgart, Beschluss vom 8.5.2024 – 30 BVGa 8/24
(ib)Unzulässigkeit einer auf Verhinderung der Absetzung des bereits verkündeten Urteils gerichteten RichterablehnungRA Dr. Johann Ante, Dortmund, NZA-RR 2024, 391
BAG, Beschluss vom 25.4.2024 – 8 AZN 833/23
(ib)Keine Einbeziehung von virtuellen Anteilsoptionen in den GegenstandswertStephan Sura, Köln, NZA-RR 2024, 392
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.5.2024 – 26 Ta (Kost) 6096/23
(ib)(Keine) Pflicht zur Nachholung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens?RA Artur Baron / RA Kai Roters, Düsseldorf / Köln, BB 2024, 1663-1664
EuGH, Urteil vom 16.5.2024 – C-706/22
(ib)Personalgestellung als dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung im öffentlichen DienstRA Dr. Yannick Bähr / RA Dr. Philipp Zinndorf, Düsseldorf / Frankfurt aM, DB 2024, 1754
BAG, Urteil vom 25.01.2024 – 6 AZR 390/20
(ib)Anforderung an den Verfügungsgrund bei einstweiliger Verfügung auf BeschäftigungRA / FA Dr. Frank Zaumseil, Frankfurt aM, DB 2024, 1755
LAG Sachsen, Urteil vom 19.02.2024 – 2SaGa 9/23
(ib)Anrechnung von Urlaubsansprüchen im Doppelarbeitsverhältnis nach rechtswidriger KündigungDr. Oda Heinrichs, Berlin, AuR 2024, 289
BAG, Urteil vom 5.12.2023 – 9 AZR 230/22
(lh)Verstoß gegen tarifvertragliche Voraussetzungen führt zur Unwirksamkeit der BefristungFrank Siebens, AuR 2024, 291
BAG, Urteil vom 20.7.2024 – 7 AZR 247/21
(lh)Mitbestimmung des Personalrats bei Befristungen im WissenschaftsbereichDr. Hans-Udo Borgaes, Essen, AuR 2024, 292
LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2023 – 14 Sa 526/23
(lh)Unterlassungsverfügungen gegen Streik – Kenntnis der Forderungen – Feststellung der TariffähigkeitHelga Nielebock, Berlin, AuR 2024, 294
Hessisches LAG, Urteil vom 9.1.2024 – 10 LGa 15/24
(lh)Nicht jede Prozessbeschäftigung ist zumutbarSusanne Theobald, AuR 2024, 306
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.11.2023 – 16 Sa 91/23
(lh)Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs kann verfallenSusanne Theobald, AuR 2024, 306
ArbG Koblenz, Urteil vom 20.4.2023 – 5 Ca 2921/22
(lh)